Es ist ein Paukenschlag, der die Assassin’s-Creed-Community erschüttert: Marc-Alexis Côté, der Mann, der über Jahre hinweg das kreative Rückgrat hinter der legendären Spieleserie war, verlässt Ubisoft – nach mehr als zwei Jahrzehnten. In einer Zeit, in der Assassin’s Creed vor einem neuen Kapitel steht, verlässt ausgerechnet derjenige das sinkende Schiff, der es einst mitgebaut hat.
Und genau das sorgt für Unruhe.

Eine Ära geht zu Ende – und das nicht leise
Seit 2005 war Marc-Alexis Côté bei Ubisoft – sein allererster Arbeitgeber nach der Universität. 20 Jahre später verabschiedet er sich von der Marke, mit der er aufgewachsen ist. In einem persönlichen Beitrag auf LinkedIn beschreibt er seine erste Begegnung mit Ubisoft fast poetisch: Der Moment, in dem er 2005 zum ersten Mal den Fahrstuhlknopf im Studio gedrückt hat, war für ihn der Beginn eines „Leap of Faith“. Und ganz ehrlich – das passt irgendwie perfekt.
Doch warum verlässt jemand, der so eng mit Assassin’s Creed verwachsen ist, plötzlich das Unternehmen? Die Antwort scheint irgendwo zwischen kreativen Differenzen, interner Umstrukturierung und einem Wandel der Unternehmensphilosophie zu liegen.
Ubisoft im Umbruch – und das schon seit Jahren
Ubisoft steckt schon seit längerem in einer Krise: Kreative Flauten, verschobene Releases, abgesagte Projekte und eine sinkende Aktienlage. Hinzu kommt eine aggressive Umstrukturierung, die nicht nur neue Spielreihen, sondern auch neue Denkweisen erzwingen soll.
Im März 2025 kündigte Ubisoft eine große Neuausrichtung an. Im Zuge dieser wurde intern ein neues Studio namens Vantage Studios mitgegründet – unter anderem auch mit Beteiligung von Ubisoft selbst. Marc-Alexis Côté hatte laut Gamestar und Videogame Chronicle mehrere Angebote abgelehnt, Teil des neuen Führungsteams zu werden. Eine Entscheidung, die viel über seine Haltung zur aktuellen Ausrichtung des Unternehmens aussagt.
In einer internen Mail heißt es:
„Wir sind enttäuscht über seine Entscheidung, verstehen und respektieren jedoch, dass er seine eigenen Prioritäten hinsichtlich der Gründung und Zukunft von Vantage Studios hatte.“
Das klingt höflich – und zugleich kühl distanziert. Vielleicht zu distanziert für jemanden, der 20 Jahre lang Herz und Seele der Marke war.

Ein Mann mit Vision – und vielleicht auch Frust
Côté war nicht irgendein Entwickler. Er war Exotic Mission Director bei Assassin’s Creed Brotherhood, einer der prägenden Teile der Reihe. Er hat an Assassin’s Creed 3, Syndicate, dem Odyssey-DLC und vielen weiteren Titeln mitgewirkt. Er war über Jahre hinweg der kreative Kopf, der die Marke nicht nur mitentwickelte, sondern auch mitdefinierte.
Und jetzt? Jetzt klingt sein Abgang fast wie ein Protest. Kein lauter, wütender Abschied – eher ein resigniertes „Es reicht.“
In seinem LinkedIn-Post lobt er zwar die Resilienz und Kreativität seiner Kollegen. Doch wenn man zwischen den Zeilen liest, erkennt man auch Wehmut – vielleicht sogar Frust. Frust darüber, dass Visionen nicht umgesetzt werden konnten. Dass politische Entscheidungen kreative Prozesse blockieren. Und dass Assassin’s Creed vielleicht nicht mehr die Marke ist, die er einst mitgeformt hat.
Ubisoft verliert mehr als nur einen Mitarbeiter
Was viele unterschätzen: Wenn eine Schlüsselperson geht, reißt das häufig ein Loch in die Unternehmensstruktur. Besonders, wenn diese Person über Jahre hinweg nicht nur operative, sondern auch kulturelle Verantwortung übernommen hat.
Côté war Mentor, Vordenker, kreativer Leitfaden. Sein Weggang könnte eine Kettenreaktion auslösen – denn oft folgen loyale Mitarbeiter solchen Führungskräften. Vielleicht nicht sofort, aber schleichend.
Und wer weiß? Vielleicht gründet Côté bald sein eigenes Studio. Mit einer neuen IP, die das verkörpert, was Assassin’s Creed einst ausmachte: Mut, Innovation und den Willen, Geschichten zu erzählen, die etwas bewegen.

Politische Hürden und kreative Grenzen
Es ist kein Geheimnis, dass Ubisoft in den letzten Jahren einige Projekte auf Eis gelegt hat. Ein Assassin’s-Creed-Titel, der in den USA spielen sollte, wurde laut Berichten aufgrund der politischen Lage gecancelt. Genau solche Entwicklungen könnten Côté aufgestoßen sein.
Kreative Freiheit? Fehlanzeige. Resilienz? Unbedingt nötig. Denn in einem Großkonzern wie Ubisoft scheint nicht mehr nur die Idee zu zählen, sondern auch, wie sie sich mit wirtschaftlichen und politischen Interessen vereinbaren lässt.
Der Blick zurück – und ein (unbekannter) Blick nach vorn
Marc-Alexis Côté begann seine Karriere mit simplen Aufgaben – etwa dem Optimieren der Ladezeiten auf der PSP. Dass er 20 Jahre später als Head of Assassin’s Creed aufhört, zeigt, wie sehr er sich hochgearbeitet hat. Und das spricht auch für Ubisoft: Als Arbeitgeber mit Entwicklungspotenzial.
Doch nun ist diese Zeit vorbei. Und Assassin’s Creed steht erneut vor einer Weggabelung.
- Codename Hexe wurde bereits angekündigt – ein düsteres Setting, das viele Fans begeistert.
- Assassin’s Creed Jade, ein Mobile Game in China, ist zwar spielbar, aber medial nahezu unsichtbar.
- Das Projekt Nebula, das verschiedene Settings wie Indien und andere exotische Orte verbinden soll, klingt spannend – aber auch extrem ambitioniert.
- Und dann ist da noch das gecancelte Spiel, das nie erscheinen wird, weil es „zu politisch“ war.
All das wirkt wie ein Sammelsurium an Ideen ohne klaren Kurs. Und genau hier fehlt nun jemand wie Côté, der eine Vision liefern kann – oder zumindest dafür sorgt, dass sich alle an einem Kompass orientieren.

Was bleibt, ist ein Creed – und viele offene Fragen
Am Ende seines Beitrags erinnert Côté noch einmal an das berühmte Credo:
„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt.“
Für ihn bedeutet das, Dinge zu hinterfragen, kreativ zu sein, Visionen zu haben – und vor allem: integer zu handeln. Vielleicht war das letztlich auch sein Beweggrund. Vielleicht konnte er mit dem neuen Ubisoft nicht mehr im Einklang handeln.
Und jetzt?
Jetzt liegt es an den Teams, die Fackel weiterzutragen. An den Menschen, die vielleicht noch immer an die Ideale glauben, die Assassin’s Creed einst so besonders gemacht haben. Und an den Fans – an uns – darauf zu hoffen, dass Ubisoft den richtigen Kurs findet.
Denn eines ist sicher: Die Zukunft von Assassin’s Creed ist ungewisser denn je.
Bis zum nächsten Artikel auf Gametasy.