„The Witcher 4“ kommt – aber ohne den Schöpfer der Welt: Was bedeutet das für die Zukunft der Serie?

Es ist ein Satz, der Fans erschüttert: „Ich habe nichts zu The Witcher 4 beigetragen.“ Diese Worte stammen nicht etwa von irgendeinem Entwickler, sondern direkt von Andrzej Sapkowski, dem Autor der Witcher-Romane. Und damit ist klar: Die nächste große RPG-Hoffnung von CD Projekt Red entsteht ohne nennenswerten Input des geistigen Vaters der Witcher-Welt.

Aber was heißt das für das Spiel? Für Dich als Fan? Und wie ist eigentlich das Verhältnis zwischen CD Projekt Red und Sapkowski heute wirklich?


Sapkowski & CD Projekt Red: Eine Beziehung mit Geschichte

Die Zusammenarbeit zwischen Sapkowski und CD Projekt Red war nie ganz unkompliziert. Ursprünglich verkaufte der polnische Autor die Videospielrechte an seinem Werk für eine vergleichsweise lächerliche Summe – damals konnte niemand ahnen, welchen globalen Hit CDPR mit The Witcher 3: Wild Hunt landen würde. Doch der große Erfolg des Spiels führte später zu einem Konflikt: Sapkowski verklagte das Studio auf eine Nachzahlung in Millionenhöhe.

Das Ergebnis? Eine außergerichtliche Einigung – und seitdem, so scheint es, läuft das Geschäft. Finanziell zumindest.


Ein „exzellenter“ Deal – ohne Mitspracherecht?

In einem Interview auf einem Bücherevent zu seiner neuen Witcher-Novelle wurde Sapkowski gefragt, ob er bei The Witcher 4 mitarbeitet. Seine Antwort: Nein. Überhaupt nicht.

Das Magazin GamesRadar fasste es treffend zusammen: „It’s rare for CD Projekt to ask him for advice anymore.“ Mit anderen Worten: Der einstige Schöpfer der Welt spielt bei ihrer Weiterentwicklung kaum noch eine Rolle.

Zwar beschreibt Sapkowski seinen Deal mit CD Projekt Red als „exzellent“, doch kreative Entscheidungen treffen heute offenbar andere. Dabei hatte CDPR in früheren Jahren zumindest gelegentlich den Dialog mit ihm gesucht – etwa für Details zur Lore oder zur Welt. Doch diese Zeiten scheinen vorbei.


Sapkowski kritisiert die Witcher-Schulen

Ein konkretes Beispiel für die Diskrepanz zwischen Buch und Spiel liefert Sapkowskis Kritik an den Witcher-Schulen. Laut ihm sind diese eine „narrative Fehlinterpretation“. In den Spielen gibt es verschiedene Schulen – Wolf, Bär, Viper, Katze, Greif und neuerdings sogar Luchs – doch Sapkowski meint: So war das nie gedacht.

Für CD Projekt Red wiederum war diese Idee eine Erweiterung der Lore – eine Möglichkeit, die Welt greifbarer, differenzierter und spielerisch interessanter zu machen. Besonders in The Witcher 3 wurden diese Schulen genutzt, um Items, Story-Hintergründe und Quests zu strukturieren.

Die Aussage des Autors, dass diese Schulen „aufgeblasen“ seien und keinen Sinn ergäben, mag aus literarischer Sicht nachvollziehbar sein – doch für viele Fans gehören sie inzwischen untrennbar zum Witcher-Universum dazu.


Der Preis des Erfolgs

Dass Sapkowski heute nicht mehr aktiv an der Entwicklung beteiligt ist, bedeutet nicht, dass er leer ausgeht. Ganz im Gegenteil: Laut eigenen Aussagen verdient er gut an den Rechten – und scheint sich auch keine Sorgen zu machen, dass das in Zukunft anders wird.

Nach der juristischen Auseinandersetzung im Jahr 2019 ist die rechtliche Situation eindeutig: CD Projekt Red darf die Witcher-Welt für Spiele verwenden, und Sapkowski wird dafür entlohnt. In welcher Form – ob als Festbetrag oder prozentuale Beteiligung – ist nicht offiziell bekannt, aber es dürfte lukrativ sein. Immerhin erwarten viele Analysten, dass The Witcher 4 sich locker 50 Millionen Mal verkaufen wird.


The Witcher ohne Sapkowski – geht das überhaupt?

Die große Frage: Kann man ein Witcher-Spiel ohne den Input des Schöpfers entwickeln, ohne dass es an Authentizität verliert?

Wenn man ehrlich ist: CD Projekt Red hat genau das bereits bewiesen. The Witcher 3 spielt nach den Ereignissen der Bücher – also in einem narrativ „freigewordenen“ Raum – und hat dennoch die Welt auf eine Weise erweitert, die Millionen Spieler*innen begeistert hat.

Natürlich sind einige der erzählerischen Entscheidungen nicht deckungsgleich mit den Intentionen des Autors. Ob Ziri als Anführerin einer neuen Hexer-Schule wirklich ins ursprüngliche Konzept passt? Darüber lässt sich streiten. Aber Fakt ist: Es funktioniert.


Die Netflix-Serie als mahnendes Beispiel?

Ein wenig misstrauisch dürften manche Fans dennoch sein – schließlich hat ein anderes Medium gezeigt, wie sehr eine kreative Neuinterpretation auch scheitern kann: Die Netflix-Serie.

Seit Henry Cavills Ausstieg aus der Rolle des Geralt ist die Stimmung in der Fan-Base spürbar gekippt. Liam Hemsworth als Nachfolger konnte bislang wenig überzeugen. Laut Umfragen haben nur rund 21 % der Fans wirklich Lust auf die vierte Staffel.

Zwar muss man fairerweise sagen, dass ein Spiel wie The Witcher 4 eine ganz andere Tiefe und Qualitätsebene bieten kann als eine Netflix-Adaption – doch die Parallele bleibt: Wenn man sich zu weit von der Quelle entfernt, kann das Ergebnis auch nach hinten losgehen.


Kreative Freiheit vs. narrative Konsistenz

Manche Fans stört es, wenn neue Spiele oder Serien zu weit von der Buchvorlage abweichen. Andere wiederum sagen: „Hauptsache, es ist geil erzählt.“

Und genau hier liegt der Knackpunkt: CD Projekt Red hat sich die kreative Freiheit erarbeitet. Nach 18 Jahren Erfahrung mit der Marke und dem Aufbau eines eigenen Witcher-Kosmos dürfen sie sich durchaus narrative Spielräume nehmen. Schließlich haben sie bewiesen, dass sie mit dieser Welt umgehen können.

Ob Portale, neue Schulen oder alternative Zeitlinien – solange die Story in sich stimmig bleibt und das Gameplay überzeugt, wird die Fanbase dem Spiel treu bleiben. Vielleicht sogar mehr als je zuvor.


Fazit: Vertrauen in CD Projekt Red – auch ohne Sapkowski

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn Sapkowski zumindest beratend eingebunden wäre. Seine Kritik an gewissen Details zeigt, dass er nach wie vor eine Vision für seine Welt hat – aber er ist eben auch nicht mehr der einzige Architekt dieses Universums.

CD Projekt Red hat mit The Witcher 3 eine der besten Videospielwelten überhaupt erschaffen. Sie haben Geralt, Ciri und Co. zu globalen Ikonen gemacht. Und sie haben gezeigt, dass sie diese Welt auch ohne die enge Führung des Autors weiterentwickeln können.

The Witcher 4 steht also auf stabilen Beinen. Die Vergangenheit hat uns gelehrt: Auch wenn CDPR sich weit vom Quellmaterial entfernt, liefern sie trotzdem (oder gerade deshalb?) außergewöhnliche Spiele ab.

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